Rezensionen

Die Bedeutung der Brüche

Mandy Herrmann zeigt unter dem Titel "ZeiTräume" Ölbilder und Arbeiten auf Papier in der Forststraße in Dresden
Rezension von Dr. Jördis Lademann

Experimentierfelder für Farben und Formen In Mandy Herrmanns Schaffen treffen gesunder Spieltrieb und universeller Erkenntnisdrang aufeinander. Ihre Ausstellung nennt sie "ZeiTräume", denn Zeit - an sich ist unsichtbar - ist ein Phänomen, das einerseits Unendlichkeit suggeriert, andererseits in kleinsten Sequenzen gegenwärtig ist, um im nächsten Moment verronnen zu sein. Doch Zeiträume öffnen Handlungsspielräume. Die Wortspielerei öffnet aber auch die Dimension der Imagination, denn aus Zeit-Räumen lässt die Künstlerin Zeit-Träume werden. Beschwingt legte sie die Bildträger des Zweiteilers "Planetora #69" als drehbare runde Kreisscheiben an, um darauf Zahlen und Kreise rotieren zu lassen, um zu beobachten, wie sich die 6 in die 9 verwandelt und umgekehrt. Zunächst aber frappiert in der Ausstellung die Kraft mit der die reinen Farben mit- und gegeneinander agieren, in großen, klar begrenzten Formen und scharfen Kontrasten.

Zu diesen Ölbildern notierte die Malerin: "Alles fängt mit einem Traum an; Systemen zwischen Chaos und Ordnung". Gerade das nicht Planbare sei das Wesentliche, das das Leben ausmacht. So liefert ihre Auseinandersetzung mit der Biografie zugleich "Kunststoff", wobei sie den erlebten Brüchen besondere Bedeutung beimisst. Malen ist ihr existenziell wie Atmen, Leben und Schaffen untrennbar verbunden. Ideen vom Kosmischen flackern auf, von Kartografischem aus der Vogelschau, zugleich aber auch Mikroskopischem, von Zellstrukturen und -bewegungen, von Organischem, Lebendem.

Tiefenräume öffnen sich, obwohl alle Formen flächig gearbeitet sind. Die Bestimmtheit, mit der die wenigen herausleuchtenden Farben übereinander beinahe schwarzen Gründen vibrieren, schafft räumliche Dynamik. Fasziniert schaut man, was dahinter geschieht: Gibt es hinter einem aufsteigenden "Morgen-ROT"einen grünen Planeten? Inmitten von amöbenartig pulsierenden Gebilden? Git es etwas wie Lebensbahnen oder Leitlinien, die einzelne Elemente miteinander verbinden? Kann man Wiederholungen, periodische oder serielle Abläufe vermuten?

Zwar spielen Bildtitel mit Tageszeitlichem, sprechen von "Einem Tag und zwei Nächten". Doch sind sie alle Formen; auch die unrunden Kreise und Kreissegmente, abstrakte Gebilde ohne jeden Anflug von Gegenständlichkeit.

Man mag nicht von konstruktiver oder konkreter Kunst sprechen, aber von Expressivität. In den Systemen zwischen Chaos und Ordnung, in denen das Nichtprogrammierbare das Leben ausmacht. Ähnlich funktionieren auch die Skizzen in Mandy Herrmanns Tagebuch: Darin spielt die mit leichter Hand gezeichnete grafische Linie die Hauptrolle, die zunächst auch Figürliches oder Gegenständliches anspricht. Doch darüber fließen dann die freien Rhythmen der Abstraktion: Mit farbigen Stiften untersucht sie die Beziehungen der einzelnen Figurationen zu einander (teils Tiere oder Menschen) und erwägt deren Verwirbelungen durch das Unwägbare.

Mit Kohle aber, die sie sowohl mit der spitzen, als auch mit der Breitseite nutzt, nähert sie sich den abstrakten, vom Gegenstand gelösten Elementen, wie sie die Malerei zeigt, nur dass der Zauber der Farbe noch fehlt. Die Erfahrungen der kleinen und großen Arbeiten Mandy Herrmanns bauen aufeinander auf, bereichern den Zugang zu ihrem Werk.

So geht es in der Buntstiftfolge "Kinderleicht" (2015) und in den Ölpastellblättern "Teilchenbeschleuniger" (2014) wieder um Rotationen. Jede farbige Fläche bekommt einen eigenen Charakter, der sich mit den Nachbarn und Umgebung auseinandersetzen kann.

Im Vogtland geboren, kam Mandy Herrmann nach dem Abitur nach Dresden, nahm Jobs bei der Post und der Volkssolidarität auf und absolvierte ein Abend- und 1985-92 das Malerei-/Grafikstudium an der Hochschule für Bildende Künste bei Siegfried Klotz, Johannes Heisig und Claus Weidensdorfer, bei dem sie auch 1993/94 auch Meisterschülerin war. In der anschließenden Freiberuflichkeit erschloss sie sich ein breites Feld an Ausdrucksformen, darunter auch Druckgrafik, Collagen, Foto- und Materialcollagen.


BLICKPUNKTKUNST in der Forststraße in der Praxisklinik Herz und Gefäße, Dresden

Dresdner Neueste Nachrichten, 15. Mai 2018

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